«WIR WOLLEN UNS VON DER KONKURRENZ ABHEBEN»
Seit 2019 bauen Burkard und Regula Kreyenbühl Hirschi, Inhaber der Bäckerei Kreyenbühl AG in Muri (AG), das Urgetreide Emmer in Eigenregie an. Aber nicht nur das. Die beiden zeigen ihren Kundinnen und Kunden die Wertschöpfungskette der Produkte gekonnt auf.
HERR KREYENBÜHL-HIRSCHI, WESHALB HABEN SIE SICH DAZU ENTSCHIEDEN, SELBST EMMER ANZUBAUEN?
Dinkel hat sich in den vergangenen Jahren etabliert, und Brot mit Dinkel ist praktisch überall – sogar im Tankstellenshop – erhältlich. Wir wollen uns mit einem anderen Urgetreide von der Konkurrenz abheben. Wir kontaktierten einen Müller. Dieser hatte jedoch kein Emmer Getreide im Angebot. Der Grund: viel Arbeit und wenig Ertrag. Deshalb entschieden wir uns dafür, das Risiko selbst zu tragen und den Emmer in Eigenregie anzubauen. Dafür pachteten wir bei meinem Bruder Land.
WIE INFORMIEREN SIE IHRE KUNDINNEN UND KUNDEN?
Neue Backwaren können wir nicht nur ins Brotgestell legen und hoffen, dass sie gekauft werden. Dafür ist unser Betrieb zu klein. An einer Theke aus Strohballen konnte vor unserem Laden das Emmer-Brot degustiert werden. Zudem informierten wir über Facebook und Instagram. Auf unserer Website schalteten wir ausserdem regelmässig Videos auf, damit jeder Schritt mitverfolgt werden kann. Und: Wir haben eine Partnerschaft mit dem «Amtlichen Anzeiger» und verschicken zweimal jährlich unsere selbst gestaltete «Backstuben-Post» als Beilage.
«WENN HÜHNER EIN EI GELEGT HABEN,
GACKERN SIE. DAS SOLLTEN WIR IHNEN GLEICHTUN.»
BURKARD KREYENBÜHL-HIRCHI
WELCHES KUNDENSEGMENT WOLLEN SIE MIT EMMER BROT ANSPRECHEN?
Ich denke, wir holen damit alle ab. Diejenigen, die unter der Woche bei Aldi oder Lidl einkaufen, geben am Wochenende bewusst mehr Geld für ein besonderes Produkt aus – sie gönnen sich etwas. Andere achten auf die Ernährung und vertrauen auf unser Know-how. Und wieder andere schätzen das Handwerk, die Regionalität oder unseren Betrieb als solches.
WELCHE HERAUSFORDERUNGEN GAB ES ZU BEWÄLTIGEN?
Einerseits die Unbeständigkeit der Menge. Im ersten Jahr haben wir 50 Are Korn angebaut. Daraus ergaben sich ca. 1400 kg Emmer. Diese Menge hat etwa für ein Jahr gereicht. Im zweiten Jahr haben wir 80 Are Korn angebaut. Daraus konnten wir zwei Tonnen gewinnen. Das war ein super Jahr. Und dann kam 2021. In diesem dritten Jahr haben wir 60 Are angebaut. Das Wetter war sehr wechselhaft, und es hagelte viel. Wir konnten gerade mal 100 Kilogramm ernten. Zum Glück haben wir vom Vorjahr noch etwas an Lager. Ich gehe davon aus, dass wir im Frühling ausgeschossen sein werden. Andererseits war es eine Herausforderung, die perfekte Rezeptur hinzubekommen. Das Emmer-Korn hat ganz andere Verarbeitungseigenschaften als Weizen. Dies erforderte viele Backtests.
WIE HEBEN SIE SICH VON DEN GROSSVERTEILERN AB?
Durch Nähe und Vertrauen. Die Kundinnen und Kunden haben die Möglichkeit, sich das Feld, auf dem der Emmer wächst, anzusehen, und sie kennen die Mühle, wo das Getreide verarbeitet wird. Das schafft Vertrauen. Dasselbe gilt für die Präsentation vor unserem Laden. So lernen sie die Betriebsinhaber und die Mitarbeitenden persönlich kennen. Das schafft Nähe.
HATTEN DIE EMMER-PRODUKTE EINEN EINFLUSS AUF DEN VERKAUF?
Wir konnten die Produkte unabhängig positionieren und für den Aufwand einen gut kalkulierten Preis verlangen. Dieser wurde von der Kundschaft akzeptiert. Ein Sprichwort sagt: «Handel ist Wandel», so erlebt das Sortiment immer wieder Neuerungen und bleibt attraktiv. Es ist ein endloser Prozess. Doch ich bin überzeugt, dass die gute Qualität auf die anderen Produkte abstrahlt und die Frequenz in unserem Laden nachhal tig steigert. Zudem sind wir allgemein flexibler in der Preissetzung. Und es hat Zusatzverkäufe generiert.
WIE SCHULEN SIE IHR VERKAUFSPERSONAL?
Es war uns wichtig, das Verkaufspersonal auf diese Reise mitzuneh men. Einerseits haben wir eine Schulung zum Thema Genuss mit Michael Kleinert organisiert. Danach durften die Mitarbeitenden Genusskarten für die Brote schreiben. Diejenigen in der Produktion müssen ebenfalls motiviert, herausgefordert werden. Das haben wir mit dem Projekt erreicht. Wir haben verschiedene Teamevents organisiert, damit unsere Mitarbeitenden jeden Schritt mitverfolgen konnten. Zur «Brottaufe» haben wir ebenfalls einen Mitarbeiteranlass organisiert.
KAUFT IHRE KUNDSCHAFT NOCH NORMALES WEISSBROT?
Klar ist, dass Ruch- oder Weissbrote Auslaufmodelle sind. Zudem sind diese Brote für uns nicht sehr lukrativ, da die Wertschöpfung gering ist. Beispielsweise sind hingegen der Zopf, wie auch unsere Urgetreidebrote, Imageprodukte und sehr wichtig für uns. Diese lassen wir an Wettbewerben bewerten. So können wir kommunizieren, dass es Topprodukte sind.
WAS MÖCHTEN SIE IHREN BRANCHENKOLLEGINNEN UND -KOLLEGEN MITGEBEN?
Wenn Hühner ein Ei gelegt haben, gackern sie. Das sollten wir ihnen gleichtun. Wenn wir ein neues Produkt lancieren, sollten wir auch «gackern», unsere Kundinnen und Kunden informieren. Es braucht nicht 100 verschiedene Produkte. Lieber nur zehn, diese dafür in Topqualität.